Das Schützenwesen

In unserer Heimat werden jährlich die beliebten Schützenfeste ausgetragen. Wir sehen darin das Fortleben einer altehrwürdigen Tradition, die wohl zeitweise wenig Beachtung fand, aber nie im eigentlichen Sinne ausgestorben war. Viele Schützenvereine können übereine lange Tradition zurücksehen. Die Schützenvereinigungen sind immer Hüter alter Überlieferungen gewesen und halten die Erinnerung der Standhaftigkeit und die Taten der Väter wach, die sich in Notzeiten zusammengeschlossen zur Abwehr übermütiger und mächtiger Feinde. Welche Stellung den Schützen in unserem Land eingeräumt wurde und wird, verkündet der Spruch:

 „Turner, Sänger, Schützen

sind des Landes Stützen“

Werfen wir einen Blick auf den Ursprung des Schützenwesens. Über den geschichtlichen Anfang des Schützentums und ihrer Feste liegt ein tiefes Dunkel, das nur durch Rückschlüsse von späteren gesichteten Tatsachen erhellt wird.

 Wir wissen aus der Geschichte, dass bereits um 600 vor Christi Geburt die skythischen Bogenschützen dem persischen Großreich schwer zu schaffen machten. Wir dürfen aber mit Recht annehmen, dass ihnen die Germanen zumindest ebenbürtig waren. Diese saßen nämlich in gebieten, die sie zu engen Nachbarn dieser Stämme machten. Um einen authentischen Zeugen für die germanische Art benennen zu können, müssen wir aber noch etwa  700 Jahre hinzugeben, denn erst der römische Geschichtsschreiber Tacitus überliefert uns in seiner im Jahre 98 nach Christi Geburt abgefassten „Germania“ die Eigenschaften unserer Vorväter in sehr objektiven Art. Er rühmt insbesondere die germanische Geschicklichkeit im Waidwerk, und nur mit einer Waffe in der Hand wurde der zum Manne heranwachsende junge Germane in die Gemeinschaft der freien Männer aufgenommen. Tacitus erwähnt auch den Mut und das Geschick, das die Germanen in Spielen erwiesen.

 In Anlehnung an die germanischen Waffenspiele bildeten die Bürger  der deutschen Städte bereits im Laufe des 14. Jahrhunderts Schützengesellschaften und –Brüderschaften, um sich in deren Rahmen im Gebrauch des Bogens und der Armbrust zu üben.

 Nach der großen Reichsreform, der Verkündigung des „ewigen Landfriedens“ und der Straffung der organisatorischen Gliederung des heiligen römischen Reiches deutscher Nation verloren die städtischen Schützengemeinschaften ihren ursprünglichen Zweck ihrer Wehrhaftigkeit, umso größer aber wurde jetzt ihre Bedeutung für den freien Bürgergeist als Zeichen seiner Gleichberechtigung gegenüber dem Adel.

 Das 15. und 16. Jahrhundert bringt die Hochblüte des Handwerks, des Zünfte- und Gildewesens, und in der geistigen und schöpferischen Kultur tritt das Brauchtum das Erbe des Adels an, es wird zum Träger der Spätgotik und des Humanismus. Die Schützengesellschaften und –Brüderschaften vereinigen in der Waffenübung alle Berufe und die nun alljährlich, meist zur Pfingstzeit abgehaltenen Schützenfeste sind Höhepunkte des städtischen Lebens. Sie dienen dem Magistrat oft sogar zur Schließung oder Befestigung von Bündnissen und Ligen. Die Gesellschaften hatten ihre eigenen Freiheiten, und ihre Statuten wurden von Landesherren bestätigt und feierlich beschworen. Besondere Zentren dieses freiheitlich gesonnenen deutschen Bürgertums waren Niederdeutschland und die Niederlande, aber auch Südwestdeutschland und die Schweiz.

 Wie es bei diesen Schützenfesten herging, aber auch wie groß die Anteilnahme der gesamten Bevölkerung war, zeigen uns die Gemälde von Rembrandt, Franz Hals und anderer niederländischer Maler. Nicht nur in Museen, in vielen Rathäusern der Niederlande findet man noch diese Gemälde namenhafter Maler, mit vergnügten und stolzen Schützengilden.

 Der 30jährige Krieg, der vornehmlich den Gewerbefleiß der Städte und die Wohlhabenheit ihrer Bürger vernichtete, brachte auch Schützengesellschaften den Niedergang.

 Um 1850 herum wurde in Deutschland eine Reorganisation des Schützenwesens vorbereitet. Diese knüpfte an die alten Traditionen an, doch unterbrachen zwei furchtbare Weltkriege die aufbauende Entwicklung.

 Uns muss es nun vorbehalten bleiben, diese alte, stolze Überlieferung mit neuem Leben zu erfüllen und der heutigen Zeit anzupassen, den Geist unserer Vorfahren zu bewahren und dem Schützenwesen den Inhalt und die Bedeutung zurückzugeben, die ihm eigen waren: Freiheitlicher Geist, Liebe zur Heimat und fröhliche Kameradschaft und Geselligkeit.

 Hoffen und wünschen wir, dass auch in unserem Schützenverein immer wieder solche Menschen sich finden, die uneigennützig die Interessen des Vereins vertreten und den Schützengeist weitertragen in die nachkommenden Generationen zum Wohle der Heimat und seiner Bevölkerung.